O-Ring Schadensursache Hitze

Was sind die wichtigsten Schadensursachen bei O-Ringen?

#1 O-Ringe: Viele Schäden sind vermeidbar

Eine gut funktionierende Dichtung nehmen Anwender kaum wahr: Sie verrichtet zuverlässig über einen langen Zeitraum hinweg ihren Dienst. 

Gelangt eine Dichtung dann einmal in den Fokus, dann hat das in den meisten Fällen unangenehme Folgen. Denn steht eine Maschine wegen einer Undichtigkeit außerplanmäßig still, können hohe Umsatzausfälle drohen.

Sehr groß ist dieses Risiko bei hoch vernetzten Produktionsanlagen. Gerade diese herrschen in den Zweigen der Chemie-, Pharma- und Lebensmittelindustrie vor, wo O-Ringe zudem auf herausfordernde Betriebsbedingungen treffen. Besonders hohe oder kalte Temperaturen, aggressive Medien und hohe Drücke stellen eine Belastungsprobe für die Dichtungen dar. 

Maschinenausfälle sind nicht das einzige Problem: Weitere potentielle Folgen einer versagenden Dichtung lassen sich schwerer beziffern. Dazu zählen Rückrufkationen für Erzeugnisse, die unter unbestimmten Produktionsbedingungen entstanden sind oder Umweltschäden durch austretende Gefahrstoffe.

Dabei zeigt ein Blick auf die häufigsten Schadensursachen bei O-Ringen, dass unsere Kunden viele Ausfälle in der Praxis mit einfachen Maßnahmen vermeiden können. In diesem Beitrag geben wir einen Überblick über die wichtigsten Gründe für das Versagen von O-Ringen und wie sich diese vermeiden lassen.

#2 Warum Schadensanalyse so wichtig ist

Das weiß jeder Praktiker: Wer die Zuverlässigkeit von Abdichtungen steigern will, der sollte sich im Schadensfall auf Ursachensuche begeben. 

Häufig lässt sich ein Grund für den Defekt der Dichtung identifizieren. In komplexeren Fällen kann zwar das Zusammenwirken mehrerer Ursachen zur Undichtigkeit führen, doch auch hier ermöglicht es eine Schadensanalyse, dass die Experten zumindest unbeteiligte Faktoren als Verursacher ausschließen können.

Montage, Einbauraum und Betriebsbedingungen beanspruchen den O-Ring im Einsatz. Um zu prüfen, ob die Ingenieure die richtige Lösung für die Dichtungsaufgabe ausgewählt haben, gilt es all diese Faktoren zu hinterfragen. 

Daneben können die Dichtungselemente bereits während der Herstellung und der Lagerung bis zur Verwendung unerwünschten Einflüssen ausgesetzt sein. Ein kundiges Auge und Erfahrung im Umgang mit Dichtungen bringen oft wertvolle Hinweise auf die Schadensursachen. 

In vielen Fällen macht dies aufwendige und teure physikalische und chemische Untersuchungen im Labor überflüssig. Abhängig vom Anwendungszweck können jedoch auch solche Maßnahmen zur detaillierten Analyse wie Spektroskopie oder chromatographische Methoden notwendig werden. Die Zeit dafür findet sich jedoch meist erst im Nachhinein, denn der Instandhalter muss schnell handeln, um die Unterbrechung des Produktionsbetriebs zu minimieren.

In jedem Fall gilt es, die richtigen Schlüsse aus den Untersuchungsergebnissen zu ziehen, um die Leistungsfähigkeit der Dichtung in der Zukunft zu steigern. Hier macht sich der Erfahrungsaustausch mit den Experten für O-Ringe auf Seiten von Hersteller und Fachhändler bezahlt. 

Aus der Zusammenarbeit mit Kunden aus verschiedenen Industrien bei der Anwendungsunterstützung kennen sie viele Schadensfälle sowie geeignete Gegenmaßnahmen am Dichtsystem.

#3 Schadensursachen von O-Ringen

Experten teilen die Ursachen für Defekte an Dichtungen in vier Kategorien ein. 

Sie unterscheiden zwischen Schäden durch die Einwirkung von Prozessmedien, der Schwächung des Materials durch Temperaturen und Alterung, Herstellungsfehlern sowie unzulässigen physikalischen Belastungen.

#4 Schäden durch Medieneinwirkung

Eine ungeeignete Kombination von Dichtungswerkstoff und Medium kann zu einer starken Quellung des O-Rings führen. Das passiert dann, wenn das Medium in den Dichtungswerkstoff eindringt. 

Im umgekehrten Fall ist auch die Schrumpfung möglich. Dies verursacht das Medium, indem es Mischungsbestandteile aus dem Material des O-Rings löst. Die Medieneinwirkung ist nicht auf den laufenden Betrieb beschränkt. 

Ungeeignete Montageöle oder –Fette können die O-Ringe bereits chemisch beschädigen, bevor sie zum Einsatz kommen. Beide Phänomene resultieren in einer Veränderung der Werkstoffeigenschaften. Darunter leidet mit der Gummielastizität genau jene Eigenschaft, die Elastomere so geeignet für Dichtungsanwendungen macht. 

Häufig kommt es zur Bildung von Rissen und Versprödung. Auch durch eine bleibende Deformation kann sich die Medieneinwirkung äußern. Ein weiteres Indiz für eine Medieneinwirkung ist die Haptik des O-Rings. Denn unter Medieneinwirkung verändert sich die ggfs. die Oberflächenstruktur und der O-Ring fühlt sich etwas „matschig“ an.

Dies alles geschieht, wenn O-Ringe in Kontakt mit Medien kommen, für die sie nicht geeignet sind. Das muss nicht immer daran liegen, dass der Konstrukteur die vom Hersteller der Dichtung herausgegebene Beständigkeitsliste missachtet hat.

Von der ursprünglichen Planung abweichende Betriebsbedingungen oder schlicht eine Verwechslung im Lager können ebenso für die unzulässige Paarung von O-Ring und Medien verantwortlich sein. Beispielhaft genannt seien die verbreiteten O-Ringe aus FFKM (Perfluorkautschuk): Sie sind für ihr besonders breites Anwendungsspektrum bekannt. 

Im Kontakt mit heißem Wasser ab 150 Grad zeigen gängige Werkstoffrezepturen jedoch bereits nach wenigen Wochen starke Verformungen, die die Dichtung versagen lassen.

Lösungsansatz für Schäden durch Medieneinwirkung

  • Bei zweifelhafter Beständigkeit immer den nächsten besseren Werkstoff auswählen
  • Auslegung der Werkstoffe nach Tabellenbuch
  • Bei der Auslegung nach Tabellenbuch darauf achten, dass die Beständigkeit bei Raumtemperatur bestimmt wurde

#5 Schäden durch Temperatur und Alterung

Zu einem verbreiteten Schadensbild aus der Kategorie Temperatur und Alterung zählt die Rissbildung oder Versprödung. Schuld ist häufig eine deutliche Überschreitung der oberen Dauertemperatur, für die die Dichtung vom Hersteller freigegeben ist. 

Wichtig hierbei ist anzumerken, dass die auf einem Datenblatt angegeben Temperaturbeständigkeit bei drucklosen und medienfreien (Luft) Anwendungen getestet wurde. 

Demnach muss in der realen Anwendung beachtet werden, dass Druck und Medium sich negativ auf die Temperaturbeständigkeit eines Werkstoffs auswirken. Der Ausfall einer Dichtung durch eine zu hohe Temperatureinwirkung ist in den meisten Fällen leicht zu identifizieren, dass sich die Haptik des O-Rings stark verändert. Denn der O-Ring fühlt sich spröde und rußig an und lässt sich im Extremfall auch unter etwas Druckeinwirkung auseinanderbrechen.

Die Schadensursache Alterung umfasst nur die Wirkung von Stoffen, die in der Umgebungsluft enthalten sind sowie Wärme und lässt sich so von der Schädigung durch Medieneinwirkung abgrenzen. 

Die Sonne kann durch ihre Strahlung dauerhafte Schäden an O-Ringen verursachen, die langfristig einen Ausfall der Dichtung zur Folge hat. So sorgt die Reaktion von O-Ringen zum Beispiel aus dem Werkstoff NBR (Acrylnitril-Butadien-Kautschuk) mit Ozon aus der Umgebungsluft innerhalb weniger Tage für irreparable Schäden im Material. 

Die tiefen Risse, sogenannte Lichtrisse, entstehen immer senkrecht zur Richtung der im eingebauten Zustand auf den O-Ring wirkenden Spannung. Für Abhilfen sorgen beispielsweise eine Beschichtung des O-Rings oder der Wechsel zu einem ozonbeständigen Kautschuk.

Schadensbild O-Ring Hitze
Schadensbild: Thermische Belastung

Lösungsansatz für thermische Belastungen

  • Reicht die Temperaturbelastung an den maximalen Bereich eines Werkstoffs, dann immer den nächsten besseren Werkstoff auswählen
  • Bei der Auslegung beachten, dass die Temperaturgrenze drucklos und ohne Medium bestimmt wurde
  • Bei einer Kombination von hohen Temperaturen, hohen Drücke und aggressiver Medienbelastung ausreichend großen Sicherheitsbereich einrechnen

#6 Schäden durch unzulässige physikalische Beanspruchung

Mit deutlichem Abstand ist die fehlerhafte Montage von O-Ringen auf Platz 1 der Gründe, warum eine O-Ringdichtung nach einiger Zeit ausfällt.

Zu der fehlerhaften Montage gehören beinahe alle Defekte, die ohne eine vorhergehende Schädigung der Netzwerkstruktur des Dichtungselementes eintreten. Nur die ungeeignete Behandlung des O-Rings während der Herstellung fällt nicht in diese Kategorie. 

Der Fehlerschwerpunkt liegt stattdessen im Montagevorgang, bei der Ausführung des Einbauraums sowie zu geringer oder zu hoher Verpressung. Hierbei ist ermutigend zu vermerken, dass diese Schäden zwar am Häufigsten auftreten, jedoch durch entsprechende Schulungen auch am einfachsten zu vermeiden sind.

Häufig sind es die mangelnde Schmierung während des Einbaus sowie fehlende oder ungeeignete Montagehilfen, die bleibende Schäden am O-Ring verursachen. Schuld daran sind unter anderem unzulässig hohe Verformungskräfte durch das notwendige Aufweiten von außenliegenden O-Ringen. 

Auch das übermäßige Verdrillen schädigt den O-Ring, lässt sich aber bei der Montage großer Dichtungen mit geringer Schnurstärke kaum vermeiden. Der Fehler kann genauso bereits in der Konstruktionsabteilung passiert sein. 

Scharfkantige Nuteinstiche, eine unangemessene Verpressung, oder ein zu großes Durchmesserspiel gehören zu den verbreiteten Schadensursachen. 

Hierbei ist ein oft gesehenes Phänomen, dass sich durch nicht falsch ausgelegte Nuten oder einem zu hohen Druck, der O-Ring in den Dichtspalt drückt und nach etwas Zeit abgeschält wird. Die hervorgerufene Extrusion des O-Rings ist einer der häufigsten Gründe, für den Ausfall eines O-Rings und ist an dem abgeschälten Gummimaterial leicht zu erkennen.

O-Ring Schadensursache Spaltextrusion
Schadensbild: Extrusion (Abschälung)

Lösungsansatz für physikalische Beanspruchung

  • Schulung der Konstruktion in Bezug auf Nutauslegungen, Verpressungswerte und Toleranzberechnung
  • Schulung der Mitarbeiter in Bezug auf die Lagerung, den Einbau und die Wartung von Dichtungen
  • Professionelles Montagewerkzeug

#7 Herstellungsbedingte Schäden

Ähnlich wie durch Montagefehler beschädigte O-Ringe versagen Dichtungselemente mit Herstellungsfehler oft bereits nach einem Bruchteil der erwarteten Haltbarkeit. Beide Schadensursachen sind daher schwierig zu trennen.

Einen zentralen Hinweis auf einen Herstellungsfehler stellt das Überschreiten der in DIN ISO 3601 festgelegten Grenzmaße für O-Ringe dar. Eindeutige Abweichungen vom Sollzustand eines ungebrauchten O-Rings stellen auch Anrisse und deren Vorstufe, radiale Fließlinien dar. 

Peroxidisch vernetzte Werkstoffe wie FKM sind in dieser Hinsicht deutlich fehleranfälliger als NBR. Dazu kommt die Untervulkanisation, bei der sich die molekularen Querverbindungen im Elastomer nicht vollständig entwickeln. Die Folge ist die undefinierte Ausbildung der gewünschten gummielastischen Eigenschaft.

#8 Vorzeitige Ausfälle vermeiden – Expertenrat nutzen

Quantitative Untersuchungen zeigen, dass mechanische und physikalische Einflussfaktoren auf die Dichtung am häufigsten für ihren Ausfall verantwortlich sind. 

Darauf folgen Fehler aus der Kategorie Temperatur und Alterung. Die Unverträglichkeit des Dichtungswerkstoffes mit den Prozessmedien sowie Herstellungsfehler treten dagegen deutlicher seltener als Ausfallursache in Erscheinung.

Vor dem Hintergrund, dass wiederum montagebedingte Beschädigungen und unzureichend gestaltete Einbauräume die verbreitetste Fehlergruppe dominieren, wird eins klar: Legen die Anwender gesteigerten Wert auf einen fehlerfreien Montagevorgang sowie eine gewissenhafte Konstruktion und Herstellung der Nut für den Dichtring, können sie die Haltbarkeit vieler Dichtungen verlängern. 

Die Schulung von Mitarbeitern in der Montage und Konstruktionsabteilung trägt dazu genauso bei wie die Bereitstellung geeigneter Montagevorrichtungen und Hilfsstoffe.

Die Folgen einer versagenden Dichtung stehen häufig im groben Missverhältnis mit deren Beschaffungskosten. Gerade deshalb macht sich die gewissenhafte Lieferantenauswahl bezahlt.

 Durch die Zusammenarbeit mit NH Dichtungsservice erschließen sich Anwender nicht nur einen flexiblen Lieferanten hochwertiger Dichtungen aus den verschiedensten Materialien. Sie erhalten zusätzlich Zugang zur Expertise erfahrener Mitarbeiter, die zusammen mit den Kunden die passende Dichtung für deren individuellen Anwendungsfall auslegen.

„Ich bin überzeugt davon, dass wir unser Wissen mit der Welt teilen sollten. Ich hoffe, dass ich alle Ihre Fragen beantworten konnte. Sollten Sie noch Fragen haben, dann können Sie sich jederzeit gerne bei uns melden. Wir helfen Ihnen gerne weiter.“

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Luke Williams

Herr der O-Ringe
Autor der Dichtungsakademie

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